Verkehrserziehung in den Schulen

Aus Schulrecht Rheinland-Pfalz
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Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung vom 9. August 1999 (1541 A – Tgb.Nr. 1094/99)

1 Allgemeines

1.1 In allen Schularten ist die Verkehrserziehung Teil des Bildungs- und Erziehungsauftrags. Sie erfolgt gemäß der "Empfehlung zur Verkehrserziehung in der Schule“ der Kultusministerkonferenz vom 7. Juli 1972 in der Fassung vom 17. Juni 1994 (GAmtsbl. 1994 S. 451ff.).

1.2 Schulische Verkehrserziehung leistet gleichermaßen Beiträge zur Sicherheitserziehung, Sozialerziehung, Umwelterziehung und Gesundheitserziehung.

1.3 Verkehrserziehung wird im Rahmen der Pflichtstunden der Lehrkräfte erteilt.

1.4 Grundlagen der verkehrserzieherischen Arbeit sind der Lehrplan für Verkehrserziehung in der Grundschule, die Richtlinien zur Verkehrserziehung in der Sekundarstufe 1 sowie die Integrationsmodelle und Schwerpunktprogramme für Verkehrserziehung für die verschiedenen Schulstufen und Schularten.

1.5 Verkehrserzieherische Arbeit in der Schule bedarf der Ergänzung und ständigen Begleitung durch entsprechende Eltern- und Öffentlichkeitsarbeit.

1.6 Bei der Ausgestaltung der Verkehrserziehung sollen außerschulische Partner, wie Behörden, Verbände, Vereine, Unternehmen u. a., mit einbezogen werden.

2 Schulkindergarten

2.1 Die Verkehrserziehung im Schulkindergarten soll durch Verkehrsbeobachtungen den Kindern die Angst vor dem Verkehr nehmen. Durch Seh-, Hör- und Bewegungsschulung sollen die Voraussetzungen der Kinder für die Verkehrsteilnahme verbessert werden.

2.2 In praktischen Übungen wird das Kind mit dem Fußgängerverkehr vertraut gemacht. Insbesondere zu Beginn des Schuljahres ist vor Ort das richtige Verhalten beim Überqueren der Fahrbahn an ungesicherten Stellen und an Fußgängerüberwegen sowie der richtige Umgang mit Lichtzeichenanlagen (z. B. Druckampeln) einzuüben.

2.3 Das richtige Verhalten des Kindes als Mitfahrer in Bus, Taxi und privaten Personenkraftwagen soll grundgelegt werden.

2.4 Schwerpunkt der Elternarbeit ist die Information der Eltern über die altersspezifischen Möglichkeiten und Grenzen der Verkehrsteilnahme der Kinder dieser Altersstufe und über die daraus abzuleitenden Maßnahmen der Eltern.

3 Grundschule

3.1 In der Grundschule sollen Schülerinnen und Schüler durch theoretische Unterweisung, praktische Übungen und durch Projekte zu verkehrsgerechtem Verhalten als Fußgänger, Radfahrer und Mitfahrer in privaten und öffentlichen Verkehrsmitteln und zu rücksichtsvollem und partnerschaftlichem Verhalten auf dem Schulweg und in Bussen angeleitet werden.

3.2 Im ersten Schuljahr sind mindestens 20 Unterrichtsstunden, im zweiten Schuljahr mindestens sechs Unterrichtsstunden für die Verkehrserziehung zu verwenden.

Schwerpunkt in diesen beiden Schuljahren ist die Fußgängerausbildung zu Beginn eines jeden Schuljahres, vor allem das richtige Verhalten beim Überqueren der Fahrbahn an ungesicherten Stellen, an Fußgängerüberwegen und bei Lichtzeichenanlagen (z. B. Druckampeln). Dabei muss die Förderung des Bewegungs-, Wahrnehmungs-, Anpassungs- und Reaktionsvermögens besonders berücksichtigt werden. Arbeitsgrundlagen sind der ,,Lehrplan Verkehrserziehung Grundschule" und das ,,Schwerpunktprogramm für Verkehrserziehung im ersten und zweiten Schuljahr“.

Die Benutzung des Schulbusses, der öffentlichen Verkehrsmittel und das Mitfahren in Personenkraftwagen muss im Unterricht behandelt und – wenn möglich – praktisch geübt werden. Dabei ist ein Schwerpunkt auf das geordnete Ein- und Aussteigen und das Verhalten während der Fahrt zu legen.

3.3 Im dritten und vierten Schuljahr sind mindestens 28 Unterrichtsstunden für die Verkehrserziehung zu verwenden.

Schwerpunkt im dritten und vierten Schuljahr ist das Verhalten als Radfahrer. Arbeitsgrundlagen sind der jeweils gültige Lehrplan für die Grundschule, die Broschüre der Deutschen Verkehrswacht e.V. "Radfahrausbildung" und deren jeweils erweiterter Nachdruck durch das Staatliche Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung, Speyer, "Radfahrausbildung im dritten und vierten Schuljahr“. Die darin dargelegte Organisationsform des Unterrichts ist verbindlich. Die Radfahrausbildung in den Jugendverkehrsschulen soll im 2. Halbjahr des dritten Schuljahres mit der ersten und zweiten Übungseinheit beginnen. Im 1. Halbjahr des vierten Schuljahres folgen die dritte und die vierte Übungseinheit sowie die theoretische und praktische Lernkontrolle. Eine Abweichung von dieser verbindlichen Organisationsform aus zwingenden Gründen bedarf der Zustimmung der Schulbehörde nach Anhörung der zuständigen Fachberaterin oder des zuständigen Fachberaters.

Wo es die örtlichen Gegebenheiten und die Verkehrsdichte zulassen, können nach der dritten Übungseinheit Teile des Ausbildungsprogramms im Realverkehr durchgeführt werden. Voraussetzung ist, dass eine zusätzliche Aufsicht (ein Elternteil, ein Großelternteil, freiwillige Helfer), die in geeigneter Form in die Aufgabe eingewiesen worden ist, zur Verfügung steht und das Üben im Realverkehr von der Gesamtkonferenz nach Anhörung der Verkehrserzieherin oder des Verkehrserziehers der Polizei im Benehmen mit dem Schulelternbeirat beschlossen worden ist.

3.4 Schwerpunkte der Elternarbeit sind die Information über die altersspezifischen Bedingungen zur Verkehrsteilnahme von Grundschülern als Fußgänger, Radfahrer und Mitfahrer in öffentlichen Verkehrsmitteln und in privaten Fahrzeugen sowie über die verkehrserzieherischen Aktivitäten der Schule. Bei der Radfahrausbildung, bei Verkehrserziehungsprojekten und bei der Schulwegsicherung sollen Eltern nach Möglichkeit mitwirken. In der Öffentlichkeit soll bei allen Verkehrsteilnehmern durch geeignete Aktionen Verständnis für die besonderen Bedingungen der Kinder im Verkehr geweckt werden.

4 Sekundarstufe I

4.1 In der Sekundarstufe I soll die Verkehrserziehung Schülerinnen und Schüler befähigen, sich als Fußgänger, Inline Skater, Mitfahrer in öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln und besonders als Radfahrer verkehrsgerecht und verantwortungsbewusst zu verhalten.

4.2 Das Führen eines motorisierten Fahrzeugs kann vorbereitet werden.

4.3 Die Erfahrungsbereiche ,"Umwelt und Verkehr" und "Gesundheit und Verkehr" sollen verstärkt thematisiert werden.

4.4 Die verkehrserzieherischen Ziele sollen durch Integration in die einzelnen Fächer sowie durch besondere Unterrichtsprojekte verwirklicht werden. Arbeitsgrundlagen sind das "Integrationsmodell Verkehrserziehung", die Broschüre "Projekte zur Verkehrserziehung" und die Arbeitsmittel zum Mofakurs in der Schule gemäß der Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der Mofa-Ausbildung und Ausstellung einer Bescheinigung durch Schulen in ihrer jeweils geltenden Fassung.

4.5 In der Eltern- und Öffentlichkeitsarbeit sollen die altersspezifischen Bedingungen für die Verkehrsteilnahme bewusst gemacht werden. Besondere Schwerpunkte sind in der Orientierungsstufe der öffentliche Nahverkehr, Sicherheitsvorschriften und Verkehrsregeln, in den Klassen 7 und 8 eine erweiterte Radfahrausbildung, in den Klassen 9 und 10 die Problematik des motorisierten Verkehrs, ggf. Fragen des Einstiegs in die motorisierte Verkehrsteilnahme.

5 Sekundarstufe II

5.1 In der Sekundarstufe II sollen die Schülerinnen und Schüler zur mitverantwortlichen Teilnahme am Straßenverkehr und zu dessen Mitgestaltung befähigt werden. Hierzu gehört auch der rücksichtsvolle und partnerschaftliche Umgang mit jüngeren und schwächeren Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern. Viele Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II benutzen bereits ein motorisiertes Fahrzeug, weshalb die verantwortungsvolle Verkehrsmittelwahl besonders thematisiert werden muss.

5.2 In der gymnasialen Oberstufe sind die verkehrserzieherischen Ziele in die Grund- und Leistungskurse zu integrieren. Arbeitsgrundlage ist das Integrationsmodell "Verkehrserziehung in der gymnasialen Oberstufe“. Daneben ist die Durchführung von Verkehrserziehungstagen oder -wochen mit Podiumsdiskussion und Vorträgen von Fachleuten sowie Schülerprojekten anzustreben. Die Teilnahme an einem Fahrsicherheitstraining für Besitzerinnen oder Besitzer einer Fahrerlaubnis kann vorbereitet und angeboten werden.

5.3 In berufsbildenden Vollzeitschulen wird das Schwerpunktprogramm durch die Integration der verkehrserzieherischen Ziele in die relevanten Fächer ergänzt. Verkehrserziehungstage oder -wochen können vertiefend hinzukommen.

5.4 In den Bildungsgängen für Sozialwesen – Fachrichtung Erzieher – der Fachschulen und in dem zweijährigen Bildungsgang für Kinderpflege der Berufsfachschule ist die Verkehrserziehung in die Fächer Methodik und Didaktik der sozialpädagogischen Praxis integriert. Darüber hinaus kann Verkehrserziehung im Rahmen der Wahlfächer nach den Möglichkeiten der Schule angeboten werden.

6 Sonderschulen

6.1 In der Sonderschule sollen Schülerinnen und Schüler im Rahmen ihrer Möglichkeiten befähigt werden, als Fußgänger, Radfahrer und Mitfahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Das Führen eines motorisierten Fahrzeugs kann vorbereitet werden.

6.2 Ziele und Inhalte werden in die verschiedenen Lernbereiche einbezogen. Besonderer Wert soll auf die praktische Ausbildung gelegt werden. Dazu ist eine schuleigene Übungsfläche besonders wertvoll. Der Zeitrahmen für Verkehrserziehung ergibt sich aus dem jeweiligen Lehrplan und den besonderen Förderbedürfnissen der einzelnen Schülerinnen und Schüler.

6.3 Arbeitsgrundlagen sind die geltenden Lehrpläne und die jeweiligen Schwerpunktprogramme der Verkehrserziehung in den Schulen für Lernbehinderte, für Geistigbehinderte und Körperbehinderte.

6.4 Die Radfahrausbildung in Schulen für Lernbehinderte beginnt in der Klasse vier und wird in der Klasse fünf mit einer theoretischen und praktischen Lernkontrolle abgeschlossen. Wo es die örtlichen Gegebenheiten, die Verkehrsdichte, der Leistungsstand und die Disziplin der Schülerinnen und Schüler zulassen, können gegen Ende der Ausbildung Teile des Übungsprogramms im Realverkehr durchgeführt werden.

Voraussetzung ist, dass eine zusätzliche Aufsicht (z. B. ein Elternteil, ein Großelternteil freiwillige Helfer), die in geeigneter Form in die Aufgabe eingewiesen worden ist, zur Verfügung steht und das Üben im Realverkehr von der Gesamtkonferenz nach Anhören der Verkehrserzieherin oder des Verkehrserziehers der Polizei im Benehmen mit dem Schulelternbeirat beschlossen worden ist.

6.5 Schwerpunkt der Elternarbeit sind die Informationen über die spezifischen Bedingungen zur Verkehrsteilnahme von behinderten Schülerinnen und Schülern als Fußgänger, Radfahrer, Inline Skater und Mitfahrer in öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln, in den Klassen 9 und 10 ggf. der Einstieg in die motorisierte Verkehrsteilnahme.

7 Aus- und Fortbildung

7.1 In der ersten und zweiten Ausbildungsphase ist der Verkehrserziehung Rechnung zu tragen.

7.2 Lehrerfortbildung zur Verkehrserziehung erfolgt im Rahmen von Veranstaltungen des Staatlichen Instituts für Lehrerfort- und -weiterbildung in überregionalen und in regionalen Arbeitstagungen oder in Dienstbesprechungen durch Fachberaterinnen und Fachberater in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung, dem Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, dem Ministerium des Innern und für Sport und der Landesverkehrswacht Rheinland-Pfalz e.V.

8 Fachberaterinnen und Fachberater für Verkehrserziehung

8.1 In allen Stadt- und Landkreisen werden Fachberaterinnen und Fachberater für Verkehrserziehung an Grund-, Haupt-, Sonder- und Realschulen sowie Regionalen Schulen und Dualen Oberschulen, in den Regionen Koblenz-Nord, Koblenz-Süd, Trier, Rheinhessen-Pfalz-Nord und Rheinhessen-Pfalz-Süd Fachberaterinnen und Fachberater für Verkehrserziehung an Gymnasien/berufsbildenden Schulen eingesetzt. Die Integrierten Gesamtschulen werden von den Fachberaterinnen und Fachberatern an Grund-, Haupt-, Sonder-, Real- und Regionalen Schulen und Dualen Oberschulen in Zusammenarbeit mit den Fachberaterinnen und Fachberatern für Gymnasien/berufsbildende Schulen betreut.

8.2 Ihnen obliegt

  • die Beratung von Schulaufsicht, Schulleitungen und Obleuten in allen Fragen der Verkehrserziehung. Dazu ist ihnen auch bei Schulleiterdienstbesprechungen Gelegenheit zu geben;
  • die Organisation und Koordination von verkehrserzieherischen Aktivitäten der Schulen;
  • die Organisation der Jugendverkehrsschulen und Beratung und Mitwirkung bei der Neugestaltung von Ausbildungsplätzen;
  • die Mitwirkung bei Planung und Organisation sowie die Vermittlung von Angeboten von Projekten und Arbeitsgemeinschaften zu aktuellen Themen der Verkehrserziehung;
  • die Beratung der Schulen und Mitorganisation bei der Erstellung von Schulwegplänen und der Einrichtung von Schulwegbegleitdiensten;
  • die Fortbildung der Obleute für Verkehrserziehung, wozu jährlich mindestens eine Obleutetagung oder eine Dienstbesprechung für Obleute durchzuführen und in Abständen eine mehrtägige Fortbildungsveranstaltung beim Staatlichen Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung anzubieten und mitzuplanen ist (entsprechend der Thematik können auch andere Lehrkräfte dazu eingeladen werden.);
  • die Zusammenarbeit mit allen Behörden – insbesondere mit der Polizei und den Aufgabenträgern der Schülerbeförderung – sowie Einrichtungen und Organisationen, die die schulische Verkehrserziehung unterstützen.

9 Obleute für Verkehrserziehung

9.1 An allen Schulen bestimmt die Schulleiterin oder der Schulleiter im Einvernehmen mit der Gesamtkonferenz eine Lehrkraft als Obfrau oder Obmann für Verkehrserziehung.

9.2 Ihnen obliegt

  • die Beratung der Schulleitung und des Kollegiums in allen Fragen der Verkehrserziehung. Orientierungshilfe dazu ist die Broschüre "Schulinterne Fortbildung zur Verkehrserziehung";
  • die Organisation der verkehrserzieherischen Aktivitäten der Schule, insbesondere die Abstimmung der Integration, die Durchführung von Verkehrserziehungswochen oder -tagen, die Schulwegsicherung;
  • die Zusammenarbeit mit den Trägern der Schülerbeförderung und allen örtlichen Einrichtungen und Organisationen, die schulische Verkehrserziehung unterstützen.

10 Koordinierung der Arbeit der Fachberaterinnen und Fachberater für Verkehrserziehung

10.1 Koordination und Unterstützung der Arbeit der Fachberaterinnen und Fachberater für Verkehrserziehung erfolgen durch die Schulbehörde. Sie handelt in Abstimmung mit dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung.

10.2 Die Fortbildung der Fachberaterinnen und Fachberater und die Gesamtkoordination der Verkehrserziehung in Rheinland-Pfalz obliegen dem Staatlichen Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung in Abstimmung mit dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung.

11 Schlussbestimmungen

11.1 Die in dieser Verwaltungsvorschrift genannten Programme und Broschüren sind den Schulen zugegangen. Bei Verlust können sie über das Staatliche Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung gegen eine Kostenbeteiligung neu bezogen werden. Notwendige Änderungen oder Ergänzungen werden den Schulen durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung mitgeteilt. So werden neue Herausforderungen, die der Straßenverkehr und die Teilnahme an ihm hervorrufen, aufgegriffen und – wenn erforderlich – in pädagogische Handlungskonzepte umgesetzt. Solche Umsetzungen werden in Form von Studienmaterialien, Handreichungen u. a. in Fortbildungsveranstaltungen und durch die Fachberaterinnen und Fachberater an die Schulen weitergegeben.

11.2 Diese Verwaltungsvorschrift tritt mit Wirkung vom 1. August 1999 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verwaltungsvorschrift vom 9. Januar 1990 (Amtsbl. S. 134) außer Kraft.