Landesverordnung über das berufliche Gymnasium

Aus Schulrecht Rheinland-Pfalz
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Aufgrund des § 8 Abs. 5 Satz 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 5 Satz 8 und des § 42 Abs. 1 und 2 des Schulgesetzes (SchulG) vom 6. November 1974 (GVBl. S. 487), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Februar 1997 (GVBl. S. 53), BS 223-1, wird verordnet:

§ 1 Geltungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für die öffentlichen beruflichen Gymnasien. Sie gilt im Rahmen des § 22 Abs. 3 des Schulgesetzes und des § 18 Abs. 2 und 3 des Privatschulgesetzes auch für die entsprechenden Bildungsgänge staatlich anerkannter Ersatzschulen in freier Trägerschaft.

(2) Soweit diese Verordnung keine besonderen Bestimmungen enthält, gelten

  1. die Schulordnung für die öffentlichen berufsbildenden Schulen vom 9. Mai 1990 (GVBl. S. 127; 1991 S. 87), BS 223-1-41 und
  2. die Abiturprüfungsordnung vom 21. Juli 2010 (GVBl. S. 222), BS 223-1-12

in der jeweils geltenden Fassung.

§ 2 Zielsetzung und Gliederung

(1) Das berufliche Gymnasium führt als gymnasiale Oberstufe mit berufsbezogenen Bildungsangeboten zur allgemeinen Hochschulreife.

(2) Der Erziehungs- und Bildungsauftrag des beruflichen Gymnasiums besteht in der Förderung fachlicher, methodischer, individueller und sozialer Handlungs- und Gestaltungskompetenzen, die zur Aufnahme einer Berufsausbildung, einer beruflichen Tätigkeit oder eines Studiums sowie zu wertorientiertem individuellem Verhalten und zur verantwortlichen Mitgestaltung des öffentlichen Lebens befähigen. Hierbei arbeiten Schülerschaft, Lehrerkollegium, Schulleitung, Eltern und die im Schulausschuss vertretenen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter zusammen.

(3) Das berufliche Gymnasium wird in den Fachrichtungen

  1. Gesundheit und Soziales
  2. Technik und
  3. Wirtschaft

jeweils in Vollzeitunterricht geführt. Die Fachrichtung Technik wird in der Qualifikationsphase je nach den Möglichkeiten der Schule in den Schwerpunkten Bau-, Elektro-, Metalltechnik, Gestaltungs- und Medientechnik sowie Umwelttechnik geführt.

§ 3 Gliederung und Dauer

(1) Das berufliche Gymnasium umfasst die Jahrgangsstufen 11 bis 13. Es gliedert sich in die Einführungsphase und die Qualifikationsphase. Der Unterricht findet in der Einführungsphase im Klassenverband statt; er ist in der Qualifikationsphase in Kurse gegliedert, die an die Jahrgangsstufen gebunden sind. Ein Kurs ist ein thematisch abgeschlossener Teilbereich eines Faches, der ein Schulhalbjahr dauert. Die Kurse eines Faches bauen curricular als Folgekurse aufeinander auf.

(2) Die Einführungsphase umfasst das erste und zweite Schulhalbjahr der Jahrgangsstufe 11 (11/1 und 11/2). In ihr werden die Wahl der Fächerkombinationen und Fächer sowie die Lerninhalte und -methoden für die Qualifikationsphase vorbereitet. Gleichzeitig sollen Unterschiede in Kompetenzen und Arbeitsmethoden der einzelnen Schülerinnen und Schüler ausgeglichen werden.

(3) Die Qualifikationsphase umfasst jeweils das erste und zweite Schulhalbjahr der Jahrgangsstufen 12 und 13 (12/1, 12/2, 13/1 und 13/2). In ihr werden die Schülerinnen und Schüler in der Fächerkombination unterrichtet, die sie aus dem Angebot der Schule ausgewählt haben.

(4) Die Abiturprüfung wird im zweiten Schulhalbjahr der Jahrgangsstufe 13 (13/2) durchgeführt.

(5) Der Besuch des beruflichen Gymnasiums dauert in der Regel drei Jahre, höchstens jedoch vier Jahre. Das Recht auf Wiederholung der Abiturprüfung bleibt hiervon unberührt.

§ 4 Aufnahmevoraussetzungen

(1) In die Jahrgangsstufe 11 (11/1) eines beruflichen Gymnasiums kann aufgenommen werden, wer

  1. den qualifizierten Sekundarabschluss I oder einen gleichwertigen Abschluss mit einem Notendurchschnitt (arithmetisches Mittel aus den Zeugnisnoten der Pflicht- und Wahlpflichtfächer) von mindestens 3,0 besitzt, wobei keines der Fächer Deutsch, erste Fremdsprache und Mathematik schlechter als mit „ausreichend“ bewertet sein darf, oder
  2. an einem Gymnasium in Klassenstufe 11 versetzt ist, oder
  3. an einer Integrierten Gesamtschule die Berechtigung zum Übergang in die gymnasiale Oberstufe nach § 30 Abs. 3 der Übergreifenden Schulordnung vom 12. Juni 2009 (GVBl. S. 224, BS 223-1-35) in der jeweils geltenden Fassung erworben hat, oder
  4. den qualifizierten Sekundarabschluss I aufgrund des § 9 Abs. 2 der Berufsschulverordnung besitzt.

(2) Wer im berufsbildenden Bereich die Fachhochschulreife erworben hat oder eine zweijährige höhere Berufsfachschule mit mindestens befriedigenden Leistungen absolviert hat, kann ohne Besuch der Einführungsphase sofort in die Jahrgangsstufe 12 (12/1) eines beruflichen Gymnasiums gleicher Fachrichtung aufgenommen werden, sofern er in der Sekundarstufe während mindestens zwei Schuljahren oder im Umfang von mindestens 200 Stunden am Unterricht in einer zweiten Fremdsprache als Pflicht- oder Wahlpflichtfach teilgenommen hat und dieses Unterrichtsfach mindestens mit der Note "ausreichend" abgeschlossen hat. Ausnahmen hierzu bedürfen der Zustimmung der Schulbehörde.

§ 5 Aufgabenfelder, Fächerangebot

(1) Zum Unterrichtsangebot in den Fachrichtungen des beruflichen Gymnasiums gehören die Fächer Deutsch, erste, zweite und dritte Fremdsprache, Gemeinschaftskunde, Mathematik, Naturwissenschaft, Informationsverarbeitung, Religionslehre oder Ethikunterricht, Rechtslehre und Sport sowie ein künstlerisches Fach. Als erste Fremdsprache können Englisch oder Französisch festgelegt werden. Soweit Englisch erste Fremdsprache ist, kommen als zweite Fremdsprache Französisch, Italienisch, Spanisch oder Russisch in Betracht; soweit Französisch als erste Fremdsprache festgelegt wurde, kann als zweite Fremdsprache nur Englisch bestimmt werden. Das Fach Gemeinschaftskunde integriert Inhalte aus Geschichte, Sozialkunde und Wirtschaftsgeografie.

(2) Zusätzlich zu den Fächern nach Absatz 1 gehören zum Unterrichtsangebot

  1. in der Fachrichtung Gesundheit und Soziales die Fächer Gesundheit, Pädagogik, Psychologie, Chemie und Biologie;
  2. in der Fachrichtung Technik die Fächer Technik (mit den Schwerpunkten Bau-, Elektro-, Metalltechnik, Gestaltungs- und Medientechnik sowie Umwelttechnik in der Qualifikationsphase), Angewandte Naturwissenschaft, Darstellende Geometrie, Chemie, Physik und Biologie;
  3. in der Fachrichtung Wirtschaft die Fächer Betriebswirtschaftslehre/Rechnungswesen, Spezielle Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Organisationslehre, Wirtschaftsgeografie, Biologie, Chemie, Physik und Psychologie.

(3) Die Unterrichtsfächer der Einführungsphase werden in Kernfächer und Grundfächer eingeteilt. Die Zuordnung der einzelnen Fächer und die Zahl der Unterrichtsstunden je Fach regeln die Stundentafeln und die Fächerkombinationstafeln. Die Unterrichtsfächer der Qualifikationsphase werden in Grundfächer und Leistungsfächer eingeteilt.

(4) Die Unterrichtsfächer werden mit Ausnahme der Fächer Religionslehre oder Ethikunterricht und Sport in drei Aufgabenfeldern zusammengefasst:

  1. zum sprachlich-literarisch-künstlerischen Aufgabenfeld gehören die Fächer Deutsch, Fremdsprachen, künstlerisches Fach (Bildende Kunst, Darstellendes Spiel oder Musik);
  2. zum gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld gehören die Fächer Betriebswirtschaftslehre/Rechnungswesen, Gemeinschaftskunde, Organisationslehre, Pädagogik, Psychologie, Rechtslehre, Spezielle Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsgeographie;
  3. zum mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Aufgabenfeld gehören die Fächer Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Gesundheit, Technik, Naturwissenschaft, Angewandte Naturwissenschaft, Informationsverarbeitung und Darstellende Geometrie.

§ 6 Grund- und Leistungsfächer

(1) In den Grundfächern werden grundlegende Kompetenzen und Einsichten in die wichtigsten Problemstellungen der jeweiligen Fächer gefördert sowie grundlegende Methoden vermittelt.

(2) Leistungsfächer erlauben eine individuelle Schwerpunktbildung. In ihnen werden vertiefte fachliche und methodische Kompetenzen erworben, die im Hinblick auf Anwendungsmöglichkeiten in Wissenschaft und Beruf eine Auseinandersetzung mit wesentlichen Fragen derjenigen Wissenschaften ermöglichen, die den einzelnen Fächern zugrunde liegen.

(3) Leistungsfächer können sein die Fächer Deutsch, Mathematik, erste Fremdsprache und Informationsverarbeitung sowie

  1. in der Fachrichtung Gesundheit und Soziales die Fächer Gesundheit, Naturwissenschaft (Biologie oder Chemie), Pädagogik und Psychologie;
  2. in der Fachrichtung Technik die Fächer Technik (mit Schwerpunkt Bau-, Elektro-, Metalltechnik, Gestaltungs- und Medientechnik oder Umwelttechnik), eine Naturwissenschaft (Biologie, Chemie oder Physik) und Gemeinschaftskunde (mit Schwerpunkt Geschichte oder Sozialkunde oder Wirtschaftsgeografie);
  3. in der Fachrichtung Wirtschaft die Fächer Betriebswirtschaftslehre/Rechnungswesen und Volkswirtschaftslehre.

(4) Alle übrigen Fächer sind Grundfächer.

(5) Weitere Fächer können durch das fachlich zuständige Ministerium genehmigt werden.

§ 7 Einrichtung von Kursen

(1) Die Einrichtung von Kursen erfolgt im Rahmen der personellen, sächlichen und räumlichen Ausstattung sowie der organisatorischen Gegebenheiten der Schule. Ein Anspruch auf die Einrichtung eines bestimmten Kurses besteht nicht.

(2) Die Entscheidung über die Einrichtung eines Kurses trifft die Schulleiterin oder der Schulleiter.

(3) Die Entscheidung über die Einrichtung eines Kurses in einem Fach, das nach § 6 Abs. 5 einer Genehmigung bedarf, trifft das fachlich zuständige Ministerium.

(4) In demselben Fach werden Leistungskurse und Grundkurse selbstständig nebeneinander eingerichtet; in Ausnahmefällen können Leistungskurse durch stundenmäßige Erweiterung von Grundkursen gebildet werden.

§ 8 Fächerkombinationen und Bedingungen des Belegens von Grund- und Leistungsfächern

(1) Die Schülerinnen und Schüler belegen durchgehend eine Fächerkombination, die folgende Unterrichtsfächer umfasst: Deutsch, zwei Fremdsprachen unter Beachtung des § 9, mindestens ein Fach aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld, Mathematik, eine Naturwissenschaft, Informationsverarbeitung, Evangelische oder Katholische Religionslehre oder Ethikunterricht und Sport. Bildende Kunst oder Darstellendes Spiel oder Musik ist mindestens in der Jahrgangsstufe 12 zu belegen. Die innerhalb der Pflichtstundenzahl zulässigen Fächerkombinationen ergeben sich aus der Anlage.

(2) Die einmal gewählte Fächerkombination ist verbindlich, es sei denn, es ist eine Jahrgangsstufe zu wiederholen und in der nächstniedrigeren Jahrgangsstufe an der Schule wird diese Fächerkombination nicht angeboten.

(3) Die Schülerinnen und Schüler können bis zu zwei zusätzliche Fächer in Überschreitung der in den Fächerkombinationstafeln vorgegebenen Wochenstundenzahl belegen, sofern ihre Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit sowie die organisatorischen Bedingungen der Schule dies zulassen.

(4) Die von den Schülerinnen und Schülern verpflichtend zu belegende Stundenzahl je Woche (Pflichtstundenzahl) beträgt mindestens 29 Unterrichtsstunden.

(5) Es sind drei Leistungsfächer gemäß § 6 Abs. 3 zu belegen, die mindestens zwei verschiedenen Aufgabenfeldern zugeordnet sind. Eine Fremdsprache kann als Leistungsfach nur belegt werden, wenn sie in der Sekundarstufe I mindestens vier Jahre als Fremdsprache belegt wurde.

(6) Wer vom Sportunterricht befreit ist, muss zum Erreichen der Pflichtstundenzahl ein weiteres Grundfach belegen.

(7) Es kann nicht gleichzeitig belegt werden:

  1. mehr als ein Kurs in demselben Fach,
  2. mehr als ein Kurs in den Fächern Evangelische Religionslehre, Katholische Religionslehre und Ethikunterricht.

§ 9 Bedingungen bei abgeschlossener zweiter Fremdsprache

Schülerinnen und Schüler, die in den Klassenstufen 7 bis 10 durchgehend am Unterricht in einer zweiten Pflichtfremdsprache teilgenommen haben, müssen mindestens eine dieser beiden Pflichtfremdsprachen in der Einführungs- und der Qualifikationsphase belegen. Je nach Angebot der Schule muss diese Pflichtfremdsprache Englisch oder Französisch als fortgeführte Fremdsprache sein. Sofern nur eine Fremdsprache fortgeführt wird, muss eine zweite Naturwissenschaft oder Informationsverarbeitung belegt werden.

§ 10 Besondere Lernleistung

(1) Schülerinnen und Schüler, die über einen längeren Zeitraum selbständig an einem Thema gearbeitet haben, das inhaltlich einem Unterrichtsfach oder mehreren Unterrichtsfächern zugeordnet werden kann, und den Arbeitsprozess sowie sein Ergebnis schriftlich dokumentieren, können diese Arbeit als besondere Lernleistung in die Qualifikation in Block II einbringen. Umfang und Anspruch dieser Arbeit müssen ihrer Gewichtung (20 v.H. der Qualifikation in Block II) entsprechen.

(2) Eine besondere Lernleistung kann

  1. eine Jahresarbeit,
  2. eine im Rahmen eines vom Bund oder von den Ländern geförderten Wettbewerbs erstellte Arbeit oder
  3. eine aus einer Arbeitsgemeinschaft oder einem Projekt erwachsene Arbeit

sein. Andere Leistungen können auf Antrag vom fachlich zuständigen Ministerium als besondere Lernleistung genehmigt werden.

(3) Die besondere Lernleistung muss innerhalb der Oberstufe erbracht und spätestens am Ende des Halbjahrs 12/2 abgegeben werden; über Ausnahmen entscheidet die Schulleiterin oder der Schulleiter. Thema und Note werden im Halbjahreszeugnis der Jahrgangsstufe 13/1 ausgewiesen. Die Note geht nicht in die Bewertung der Halbjahreskurse ein.

(4) Vor der endgültigen Bewertung der besonderen Lernleistung wird durch die betreuende Lehrkraft oder die betreuenden Lehrkräfte ein Kolloquium durchgeführt, in dem die Schülerin oder der Schüler die Ergebnisse und den Arbeitsprozess der besonderen Lernleistung darstellt, erläutert und Nachfragen beantwortet. Das Kolloquium dient auch dazu, die Selbständigkeit der Leistung der Schülerin oder des Schülers festzustellen. Das Ergebnis des Kolloquiums geht höchstens zu einem Drittel in die Bewertung der besonderen Lernleistung ein.

§ 11 Abschluss der Schule

Die Fachrichtungen des beruflichen Gymnasiums enden mit der Abiturprüfung.

§ 12 In-Kraft-Treten

(1) Diese Verordnung tritt am 1. August 1997 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Landesverordnung über das berufliche Gymnasium vom 2. Mai 1979 (GVBl. S. 129), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 7. Dezember 1989 (GVBl. S. 266), BS 223-1-42 außer Kraft.

(2) Bildungsgänge, die bereits vor dem In-Kraft-Treten dieser Verordnung bestanden, werden nach den bisherigen Bestimmungen weitergeführt.

Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung

Anlage

[nicht übernommen]